Viele Faktoren haben Anteil am Verschleiß und der Alterung von Gütern des Alltags. Die Wegwerfgesellschaft können wir uns aber nicht länger leisten.
Waschmaschinen, Computer, Telefone – die Menschen in den Industrieländern besitzen heute tausende Gebrauchsgegenstände, die die Arbeit erleichtern oder das Leben verbessern sollen. Jeder von ihnen hat irgendwann ausgedient. Das ist natürlich. Die Frage, ob Hersteller den Verschleiß manchmal absichtlich beschleunigen, kommt aber immer wieder neu auf. Das Ökoinstitut Freiburg und die Universität Bonn sind im Auftrag des Umweltbundesamts dem Verdacht der sogenannten geplanten Obsoleszenz nachgegangen.
Obsolet werden oder ausgedient haben, verschleißen oder veralten, können Geräte und Technologien, aber auch Regeln, Gesetze und Denkweisen.
Die Wissenschaftler untersuchten unter anderem Flachbildfernseher, Notebooks und Smartphones. Die Studie zeigt, dass solche Geräte heute eher ausgetauscht werden als noch vor wenigen Jahren. Der Hauptgrund ist nach wie vor, dass sie kaputt gehen. Material und Bestandteile nutzen sich ab. Bei Notebooks sind das häufig Platinen, Netzteil, Bildschirm und Scharniere oder Festplatte, Arbeitsspeicher, Grafikchip und Akku. In Fernsehern gehen Display, Netzteilkarte und Hauptplatine kaputt, sowie Aluminium-Elektrolyt-Kondensatoren, die anfällig gegen Erschütterung sind.
Geräte veralten aber auch, weil neue Betriebssysteme ihre Möglichkeiten sprengen oder der Hersteller den Support einstellt. Ihre immer komplexere Software enthält Fehler, da sie nicht mehr komplett getestet werden kann. Sie werden unbrauchbar, weil Reparaturen unmöglich oder Ersatzteile nicht vorgesehen sind. So ist der Akku im Handy häufig fest eingebaut, so dass bei seinem Versagen das Telefon ersetzt werden muss.
Gezielte Einflussnahme verneinen die Wissenschaftler. Produktalterung sei nicht eindimensional zu betrachten, meinen sie. So führe zunehmend auch der Wunsch nach gefühlt besseren Geräten zum Neukauf. Das zählt als psychologische Obsoleszenz. 2012 traf sie etwa zwei Drittel der Handys und Fernseher, aber nur ein Viertel der Notebooks.
Professor Albert Albers, Leiter des IPEK – Instituts für Produktentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), hält geplante Obsoleszenz für den Einzelfall. In Karlsruhe beispielsweise sei Umweltverträglichkeit ein Aspekt der Produktentwicklung. Zukünftige Ingenieure lernten zu fragen, was zum Beispiel mit der Batterie eines verschrotteten Elektroautos geschehe. Produktentwickler in Unternehmen legten Geräte und ihre Bestandteile für eine Gebrauchsdauer aus, die auf Nutzungs- und Marktanalysen gründet. Das sei ökologisch und ökonomisch sinnvoll. So nutzten bspw. Hobbyhandwerker ihr Werkzeug anders als Baufachleute. „Unternehmen produzieren, was am Markt nachgefragt wird. Wobei natürlich Nachfrage auch durch Werbung stimuliert wird“, meint er. Kunden könnten aus der Breite unterschiedlicher Qualitäten, Nutzungsszenarien und Preise wählen. Wenn sie bewusst Handys kauften, die 10 Jahre halten, würden Hersteller sich darauf einstellen. Die Angabe der Gebrauchsdauer in den Produktinformationen könne aber Klarheit schaffen.
Werbung gehört zur Absatzpolitik von Unternehmen. Ihr Schwerpunkt ist weniger die Produktinformation. Stattdessen soll sie den Wunsch nach neuen, gefühlt oder tatsächlich besseren Geräten und anderen Dingen wecken. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft beziffert den Umsatz des Sektors für 2014 mit 25,25 Mrd. Euro. Ohne die Bankenkrise von 2008 wäre er sogar noch höher, heißt es auf der Webseite. Psychologische Obsoleszenz geht offenbar nicht allein auf das Konto von Verbrauchern.
Professor Ines Weller vom Forschungszentrum Nachhaltigkeit an der Universität Bremen hält es für wichtig, dass Produktionsprozesse offen gelegt werden, damit KonsumentInnen ihre Verantwortung wahrnehmen können. Sowohl Unternehmen als auch Werbewirtschaft hätten mehr Daten als sie teilen und in die gesetzlichen Qualitäts- und Energiesiegel gingen wichtige Details nicht immer ein.
So verschlingt die Herstellung von Notebooks viel mehr Energie als ihr Gebrauch; das zeigt eine Studie des Ökoinstituts Freiburg von 2012. Viele Geräte enthalten bedenkliche, knapper werdende oder von Natur aus seltene Stoffe.
Tantal zum Beispiel, ein Schwermetall, das in kleinen Elektrolyt-Kondensatoren von Smartphones und Autos verbaut wird, ist das seltenste stabile Metall des Sonnensystems. Es wird unter anderem im Kongo und Ruanda abgebaut. Kobalt, das Firmen wie Apple, Samsung und Sony für die Lithium-Ionen-Akkus von Smartphones, Notebooks und Elektroautos auf dem chinesischen Markt einkaufen, kommt auch aus dem Kongo. Amnesty International berichtete im Januar, dass in den Minen des Landes Kinder ab sieben Jahren für einen Dollar pro 12-Stunden-Tag arbeiten und sterben.
Elektronik landet oft schon nach kurzer Nutzung auf Halden in China oder Ghana, wo Männer, Frauen und Kinder unter lebensgefährlichen Bedingungen Aluminium, Silber und Palladium, wertvolles Platin und Gold oder giftiges Cadmium und Blei per Hand zurückgewinnen.
„Was für Produkte würde eine ressourcenschonende, klimafreundliche und sozial gerechte Gesellschaft wollen?“ fragt die Nachhaltigkeitsforscherin Ines Weller.
Manche beantworten solche Fragen auf ihre Art. Der Sozialökonom Nico Eichholz begleitet im Kulturzentrum „Kofferfabrik“ in Fürth die Anlaufphase eines neu eröffneten Repair-Cafés. Es ist Teil einer Initiative, die 2009 in Amsterdam startete und sich weltweit ausgebreitet hat.
Die Wiederentdeckung des Reparierens
Reportage aus einem Repair-Café in Berlin Wedding
Wer das Wegwerfen satt hat, lernt seine kaputten Sachen bei einem dieser Reparatur-Treffen selbst in Ordnung zu bringen. Es gibt Kaffee und Kuchen und Unterstützung von ehrenamtlichen Tüftlern, Smartphone-Doktoren und Elektrik-Profis.
Ein Siegel für Reparaturfreundlichkeit, wie es das deutsche Netzwerk der Reparatur-Initiativen vorschlägt, sei sinnvoll, sagt Eichholz, denn Kunden könnten nicht alles selbst prüfen. Er wünsche sich aber mehr Neugier, Recherche und Kritik von KonsumentInnen. Manche Leute kämen mit Billigprodukten, doch oft lohne sich eine Investition in Qualität. „Repair-Cafés haben da einen Bildungsauftrag.“ sagt er. In Nürnberg findet man eins im Fablab auf dem AEG-Gelände.
Auch Hersteller gehen neue Wege. Die niederländische Firma Fairphone lässt ihr Mobiltelefon zwar in China produzieren, aber, wo es geht, ohne Ausbeutung von Mensch und Umwelt. Rohstoffe sollen aus geprüften Minen mit fairen Bedingungen stammen, die Produktionskette offen liegen. Es soll lange halten und recycelt werden; durch austauschbare Module kann es sich technischen Fortschritten anpassen. Es ist verschraubt, nicht verklebt; in Workshops lernen KäuferInnen, es selbst zu reparieren. Auf der Pariser Klimakonferenz im Dezember zeichneten die Vereinten Nationen das erste modulare Smartphone der Welt als Vorbild in Nachhaltigkeit aus.
Die “faire” Computermaus der Geografin Susanne Jordan aus Oberbayern folgt einem ähnlichen Ansatz. Zudem sind die meisten Bestandteile der ökologisch produzierten recyclebaren Nager-Maus Made in Germany.
Die EU will Rohstoffe, Produkte und Abfälle intelligenter und nachhaltiger nutzen, Energie sparen und Treibhausgasemissionen reduzieren. Anfang Dezember beschloss die Behörde Maßnahmen für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, in der der Abfall des einen zum Ausgangsstoff des nächsten Produktes wird. Das Paket enthält auch Vorschläge für den Aufbau elektronischer Geräte, die die Ideen der Vorbilder aufgreifen. Die EU sieht die Wegwerfgesellschaft inzwischen als Gefahr für den Planeten und die Wirtschaft an. Man könnte sagen, sie ist in jeder Hinsicht obsolet.